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Und wenn es nur eine Bank ist…

Ein Interview mit Jessica Grömminger und Lena Hoppe, Inhaberinnen und Geschäftsführerinnen von „Wert der Dinge“

Warum es so wichtig ist, vor die Tür zu gehen und anzufangen – darüber sprechen wir mit Jessica Grömminger (JG) und Lena Hoppe (LH) von „Wert der Dinge“.

Sie haben sich von den berühmten Möbelmessen dieser Welt verabschiedet, um mit Ihrem Unternehmen „Wert der Dinge“ vor allem Möbel für den öffentlichen Raum zu entwerfen. War Mailand nicht so spannend?

JG: (schmunzelt) Doch, klar. Aber unsere Berufung sehen wir woanders. Lena und ich haben uns im Produktdesign-Studium kennengelernt. Uns verbindet eine große Leidenschaft für Möbel. Für Sitzmöbel können wir uns ganz besonders begeistern und waren damit auch auf der Mailänder Möbelmesse. Eine inspirierende und coole Zeit. Doch dann haben wir uns gefragt: Was passiert, wenn wir so weitermachen? Die hochpreisigen Möbel werden in großen Häusern stehen und vermutlich wenig genutzt werden. Das passte nicht zum Wert, den Dinge für uns haben sollten.

Nämlich?

LH: Es gibt verschiedene Ansätze, Dingen einen Wert zu geben. Ein Schmuckstück hat möglicherweise einen Wert, weil es Familiengeschichte erzählt. Als Gestalterinnen können wir diese Werte nur bedingt beeinflussen. Aber wir können dafür sorgen, dass wir Dinge produzieren, die langlebig sind. Und wir können dafür sorgen, dass sie einen hohen Wert für die Gemeinschaft haben, indem sie besonders gut genutzt werden.

JG: Deshalb haben wir uns dafür entschieden, Möbel für den öffentlichen Raum zu fertigen. Menschen sollen unsere Möbel nutzen können, ohne dass sie dafür eine Türschwelle überschreiten müssen.

Warum ist es so wichtig, die Menschen aus ihren Häusern rauszuholen?

JG: Für eine menschenzentrierte Stadt braucht es Begegnungen vor der Haustür.

Orte, die zum Verweilen einladen. Orte, die die Möglichkeit bieten, miteinander in den Dialog zu kommen. Diese Begegnungsmomente wollen wir mit unseren Möbeln schaffen.

LH: Dabei sehen wir das Aufstellen der Möbel gar nicht so sehr als Ergebnis, sondern vielmehr als Anfangspunkt für einen Prozess. Einen Prozess, bei dem Menschen beginnen, ihre Umgebung zu gestalten, sich zu beteiligen.

Nun kann ja nicht jeder einfach irgendwo eine Bank aufstellen…

LH: Stimmt. Doch es ist mehr möglich als vielleicht vermutet. Die Hürden sind oft abschreckend – aber eben nicht unüberwindbar. Mit unseren Projekten können wir zeigen, was alles geht.

JG: Dabei merken wir immer wieder, wie wichtig es ist, Möglichkeiten sichtbar zu machen. Denn oft wissen Menschen noch gar nicht so recht, was sie wollen. Dann hilft es, einen Anfang zu machen. Wenn wir beispielsweise eine Sitzinsel zusammen farblich gestalten, reduzieren wir die Schwellenangst und setzen Möglichkeiten zum Handeln frei.

Wie kann temporäre Architektur bei diesen Veränderungsprozessen helfen?

LH: Temporäre Lösungen lassen sich wesentlich einfacher umsetzen als langfristige. Durch temporäre Architektur können wir erreichen, dass die Umnutzung von Räumen überhaupt erst einmal thematisiert wird. Damit haben wir einen wichtigen Hebel, um zu wirken. Auf diese Weise passiert etwas Konkretes. Und das darf man nicht unterschätzen. Wenn Veränderung sichtbar wird, dann kommunizieren wir damit eine besonders hohe Ernsthaftigkeit. Die Menschen erkennen: „Ah, da passiert ja wirklich etwas.“

JG: Viele Menschen fühlen sich ohnmächtig. Sie meinen, außerhalb ihrer vier Wände nichts tun zu können. Indem wir anfangen, können wir schnell signalisieren, dass es Möglichkeiten gibt. Vielleicht nur temporär, vielleicht nur eine Bank. Aber es geht.

Die ganze Arbeit für ein paar Wochen?

JG: Nein, ganz so ist es nicht. Unsere Möbel halten in der Regel viele Jahre. Das heißt, wir denken eine Nachnutzung von Anfang an mit.

Im Mobilnetzwerk wird es jetzt zwei Parklets von Ihnen geben. Was kommt da konkret?

JG: Im Auftrag des Mobilnetzwerkes planen wir zwei verschiedene Parklets. Eines mit dem Schwerpunkt „Nachbarschaftliches Miteinander“ und ein zweites zum Thema „Aktiv durch die Region“, mit dem Schwerpunkt Fahrradfahren. Kommunen können diese Parklets direkt über das Mobilnetzwerk bestellen.

LH: Der Kontakt zum MNW besteht aber nicht erst seit heute. Wir halten eine gute Netzwerkarbeit gerade bei umfassenden gesellschaftlichen Initiativen wie der Mobilitätswende für absolut erfolgsentscheidend. Gerade bei komplexen Fragestellungen zur Verkehrssicherheit braucht es eine interdisziplinäre Zusammenarbeit. Deswegen engagieren wir uns bereits seit fünf Jahren im MNW. Nur mit Menschen aus verschiedenen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens lassen sich Veränderungen umsetzen. Dabei ist es manchmal auch spannend, die Sicht von außen einzubringen.

Inwiefern?

LH: Da wir nicht so tief in den Strukturen der Stadtverwaltung stecken, sehen wir Hürden, die möglicherweise gar nicht so auf dem Radar sind. So können wir versuchen, diese gemeinsam zu reduzieren. Vielleicht lassen sich Prozesse so weit vereinfachen, dass man wirklich einfach mal eine Bank vor’s Haus bauen kann.

JG: Als Möbeldesignerinnen ist unsere Sicht auch durch den Kern unserer Profession geprägt. Wir nehmen den Raum nicht als unveränderbar an. Nichts ist gegeben. Jedes Haus, jede Straße hat jemand gestaltet. So ist das mit unserer Welt. Wir sind befähigt, sie zu gestalten. Das geht nicht allein, aber es geht. Es wäre gut, wenn immer mehr Menschen erkennen, dass sie fähig sind, ihre eigene Umgebung zu gestalten. Es ist wichtig, dass Kommunen den Mut haben, Menschen diese Verantwortung zu geben. Und diesen Prozess mitzugehen.

Ein perfektes Schlusswort. Herzlichen Dank, Lena Hoppe und Jessica Grömminger, für das interessante Gespräch!

 

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