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„Es braucht eine Idee, wie der Raum aussehen soll, wenn wir ihn vom Auto befreit haben.“

Ein Interview mit Uta Bauer, Team- und Projektleiterin im Forschungsbereich Mobilität am Deutschen Institut für Urbanistik

Warum autofreie Quartiere mehr als eine fancy Modeerscheinung sind und wie Kommunen diesen Weg konsequent gehen sollten.

Redaktion: Superblocks sind aktuell besonders präsent in der 
Mobilitätsdebatte. Zurecht? 


UB: Nun, die sogenannten Superblocks lösen die Verkehrsprobleme sicher nicht in Gänze. Sie machen aber ganz gut erlebbar, welche Vorteile es bringt, wenn wir dem Auto weniger Platz einräumen. Wir erkennen, inwieweit wir dadurch nicht nur eine höhere Verkehrssicherheit gewinnen, sondern auch zusätzlichen öffentlichen Raum. Raum, den wir zur Aufwertung unserer Lebensqualität nutzen können. Diese Gewinne raus aus der akademischen Kommunikation und rein in den Alltag zu holen, macht eine Menge aus. Und der Handlungsdruck für genau solche Wege steigt.


Redaktion: Inwiefern?


UB: Wir haben inzwischen einen enormen Druck auf den Straßenraum insgesamt aber auch auf den Parkraum. Tendenz steigend. Im Zuge steigender Temperaturen kommt es in den Quartieren zunehmen zu Hitzeinseln, mit denen wir umgehen müssen. Wir brauchen mehr Versickerungsflächen und Entsiegelung. Zudem ist der Platzbedarf fürs Fahrrad enorm gewachsen. All diese Bedarfen brauchen eine Antwort durch die Stadtgestaltung. 
 

Redaktion: Also Poller aufstellen, Straßen sperren, und dann entsteht 
etwas Gutes? 


UB: Nein, ein Superblock ist viel mehr als eine Aneinanderreihung von Pollern. So, wie wir es oft in Berlin erleben. Klar, eine Absperrung ist wichtig, um den 
Durchgangsverkehr aus dem Quartier zu nehmen. Parallel braucht es jedoch auch eine Umgestaltung der Straßenräume, eine Entsiegelung und Begrünung der Flächen. Es braucht immer auch eine Idee, wie der Raum dann aussehen soll, wenn wir ihn vom Auto befreit haben. 


Redaktion: Verstehe. Was macht für Sie einen gelungenen Superblock aus?


UB: Wichtig ist eine Verkehrsberuhigung, ein modaler Filter. Dafür braucht es nicht zwingend Poller. Geschwindigkeitsreduzierungen, Pflanzenkübel, attraktive Wege für den Rad- und Fußverkehr sind wichtige Bausteine für einen gelungenen Superblock. Und hochwertige Außenmöbel, um die zusätzliche Aufenthaltsqualität auch für den Menschen gut nutzbar zu machen. 
 

Redaktion: Woran scheitert der großflächige Siegeszug der Superblocks? 


UB: Nun, es ist bekanntermaßen schwer, dem Autoverkehr Privilegien zu nehmen. Maßnahmen müssen gut begründet werden, zumeist mit einer besonderen Gefahrenlage. Das macht Mühe, zahlt sich jedoch aus. Hier besteht seitens der Kommunen eine hohe Unsicherheit, wie sie rechtssicher Maßnahmen anordnen können. Und dann machen viele lieber gar nichts. Dabei liegt es in der Natur einer Transformation, in der wir uns mit der Verkehrswende befinden, dass es zu Konflikten kommt. Ich mache die Beobachtung, dass Kommunen damit unterschiedlich umgehen. 
 

Redaktion: Haben Sie einen Tipp für die Kommunen? Vielleicht gerade für die, 
die noch zögern?
 

UB: Wichtig ist, dass die Maßnahmen aus einem städtebaulichen Gesamtkonzept erwachsen. Es braucht eine gute Zusammenarbeit zwischen Stadtplanung, Architekten und Verkehrsplanung, um in eine gute und emotionale Gestaltung zu kommen. Am besten, Kommunen fangen dort mit Maßnahmen an, wo sie den größten Gewinn erzielen, wo der Handlungsdruck besonders hoch ist. Wenn in wenigen Metern bereits ein Park beginnt, dann ist der Leidensdruck nicht besonders nachvollziehbar. 


Redaktion: Verstehe. Also Ganzheitlichkeit und Relevanz. Noch etwas?
 

UB: Grundsätzlich ist Dranbleiben gefragt. Kommunen sollten sich ein Verfahren überlegen, mit dem sie das Quartier entwickeln wollen. Und dann diesen Weg sehr konsequent gehen. Im Zweifel lässt sich letztinstanzlich auch eine Rechtssicherheit schaffen, um die Maßnahmen im Anschluss auszurollen. 


Redaktion: Gibt es eine Art Werkzeugkasten beim Bau solcher Quartiere? 


UB: Blocks sollten stets ein wiedererkennbares Design haben. Das hilft der 
Bevölkerung zu realisieren, was die Kommune vorhat. Das wird oft noch 
unterschätzt. Aber ein gutes Design, ein Farbkonzept für Markierungen, Schilder und Sitzgelegenheiten erleichtert die Akzeptanz. Mehr noch, es fängt an, Spaß zu machen. Und es entwickelt Strahlkraft. Denn, was woanders gut gelungen ist, wird von den Nachbarn oft auch eingefordert. Darum ist es auch so wichtig, die Gewinne, wie eine bessere Nachbarschaft und Lebensqualität, sichtbar zu machen – und sie zufeiern.
 

Redaktion: Sind solche Projekte nur was für Großstädte wie Barcelona und 
Berlin?


UB: Nein, das geht auch sehr gut in kleineren Kommunen. Wichtig ist, nicht in einem beliebigen Wohnquartier anzufangen, sondern in die Innenstädte zu schauen. Innenstädte leiden unter Funktionsverlust, der Einzelhandel hat es schwer, der Raum verliert an Lebendigkeit. Genau dort ist es eine lohnende Aufgabe. Wenn Kommunen einen Superblock planen, dann sollten sie im Blick haben, dass dort auch Menschen leben. Menschen, die den Außenraum dann auch als Wohnzimmer nutzen. 


Redaktion: Wie nimmt man die Menschen mit auf diesem Weg?


UB: So ein richtiges Patentrezept gibt es nicht. Außerdem ärgert uns das sogenannte Beteiligungsparadoxon. Heißt, am Anfang, wenn noch viel Gestaltungsspielraum da ist, dann läuft die Partizipation der Menschen oft ins Leere. Es kommt einfach niemand. Später, wenn die Bagger rollen und Entscheidungen bereits getroffen sind, dann kommt plötzlich negative Energie auf. Dann können sie jedoch nicht mehr beteiligen, nur informieren.
 

Redaktion: Wie können Kommunen mit diesem Dilemma umgehen?


UB: Es empfiehlt sich, sich auf die schweigende Mehrheit zu konzentrieren. Da gibt es clevere Moderationsformate, die Kommunen auf Bürgerversammlungen nutzen können. So, dass sichtbar wird, dass diejenigen, die lautstark gegen die Vorhaben reden, eigentlich in der Minderheit sind. Und, oft wird der Fokus in Beteiligungsformaten auf Überzeugungsarbeit gelegt. Es bringt jedoch deutlich mehr, die jeweiligen Probleme, für die Lösungen gesucht werden, für alle sichtbar zu machen. Darüber Es lässt sich oft schneller ein Konsens darüber erzielen, wie die Verwaltung tätig werden sollte. 
 

Redaktion: Haben Sie ein Beispiel?


UB: Es gibt zahlreiche Probleme in Kommunen, die bei den meisten Menschen 
anschlussfähig sind. Wie beispielsweise niedergehende Innenstädte oder zugeparkte und überlastete Straßen. Es ist vielen Leuten vermittelbar, dass in einer dicht bebauten Straße, in denen es 100 Haushalte, aber nur 30 Parkplätze gibt, eben nicht jeder Haushalt sein Auto dort abstellen kann. Es wird schnell offensichtlich, dass hier etwas getan werden muss.
 

Redaktion: Wie gehen Sie denn ganz persönlich mit den Mühen um? Was 
motiviert Sie, wenn Sie auf Ihren Tag blicken?
 

UB: Ich bin schlicht überzeugt von der Sache, die ich mache. Und mir ist klar, dass das nicht ohne Rückfälle geht. Heißt, ich gehe mit ganz realistischen Erwartungen in den Tag. Enttäuscht werden kann ich dann eigentlich kaum. Und letztens bin ich durch eine Straße in Berlin gelaufen, in der ich vor 20 Jahren gewohnt habe. Ich kannmich noch sehr genau an das Straßenbild von damals erinnern, da stand kein einziges Rad. Heute stehen viele Räder auf einem Großteil des Weges. Und da wird mir wieder bewusst, dass das Rad als Mobilitätsform an Bedeutung gewonnen hat. Diesem positiven Bild gebe ich viel Raum in meinem Tun.


Vielen Dank für das spannende Gespräch, Uta Bauer.

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