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Im Interview: Prof. Dr. Carsten Sommer

Was kostet der Verkehr?

In zwei Studien entwickelte Prof. Dr. Carsten Sommer mit seinem Team ein Tool, mit dem Kommunen die kommunalen Kosten für verschiedene Verkehrssysteme verursachergerecht aufschlüsseln können.

Prof. Dr. Carsten Sommer ist Leiter des Fachgebiets Verkehrsplanung und Verkehrssysteme am Fachbereich Bauingenieur- und Umweltingenieurwesen der Universität Kassel. In zwei Studien entwickelte er mit seinem Team ein Tool, mit dem Kommunen die kommunalen Kosten für verschiedene Verkehrssysteme verursachergerecht aufschlüsseln können.

Prof. Dr. Carsten Sommer, warum haben Sie das Tool entwickelt?
In meinem Fachgebiet setzen wir uns mit zukunftsorientierten Fragen der strategischen Verkehrsplanung auseinander. In diesem Zuge haben wir mit Unterstützung des Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur zwei Studien durchgeführt. Hintergrund der Studien war die fehlende Transparenz bei den der Kosten der Verkehrssysteme - Pkw-, Rad- und Fußverkehr sowie ÖPNV. Im Bereich des ÖPNV wird dies zum Beispiel mithilfe des Kostendeckungsgrades ermittelt, bei anderen Verkehrssystemen jedoch nicht. Daher ist in den meisten Fällen nicht klar, wie viel das einzelne Verkehrssystem eigentlich kostet.

Was berechnet das Tool?
In der ersten Studie haben wir eine betriebswirtschaftliche Vollkostenrechnung auf Basis des kommunalen Haushaltes und der kommunalen Unternehmen, wie Stadtreinigung, oder Verkehrsunternehmen durchgeführt und die Erträge und Aufwendungen verursachergerecht für die jeweiligen Systeme aufgeschlüsselt. In unserer zweiten Studie haben wir externe Effekte einbezogen. Zu diesen zählen zum Beispiel der Gesundheitsnutzen der aktiven Fortbewegung sowie Klimaschäden oder Schäden durch Luftschadstoffe beim motorisierten Verkehr. Eine Kommune kann das Tool nutzen, um herauszufinden, wie viel das einzelne Verkehrssystem kostet. Dabei sollte jede Kommune in regelmäßigen Abständen eine Berechnung durchführen, um definierte Planungs- und Politikziele zu überprüfen, zum Beispiel ob die Bezuschussung für den Pkw-Verkehr geringer geworden ist. Wichtig ist hierbei, dass die Kommunen sich nicht mit anderen Kommunen vergleichen, dafür sind die Gegebenheiten meist zu unterschiedlich. Das Tool dient vor allem zum Vergleich einer zielorientierten Weiterentwicklung der eigenen Kommune.

Was kann das Tool zur Verkehrswende beitragen?
Das Tool bietet Kommunen aussagekräftige Kennwerte, anhand derer sie ihr Verkehrssystem ökonomisch bewerten kann. Das gab es davor nicht, es wurde immer nur über Kosten einzelner Maßnahmen argumentiert. Im betriebswirtschaftlichen Vergleich wurde deutlich: Der größte absolute Zuschussbedarf besteht in der Regel im Pkw- und Lkw-Verkehr. Die Kostendeckung ist in beiden Systemen auch deutlich geringer als im ÖPNV. Die nicht-motorisierten Verkehrssysteme haben nur einen sehr geringen Zuschussbedarf. Das liegt an der verursachergerechten Aufteilung in der Berechnung, weil die Infrastruktur und die Instandhaltung von Straßen teuer ist, die Straßen aber durch schwere Fahrzeuge kaputt gefahren werden. Mit der Vollkostenrechnung und den Kennwerten daraus hat man einen vollständigen betriebswirtschaftlichen Überblick über die unterschiedlichen kommunalen Verkehrssysteme, der für die Haushalts-, Stadt- und Verkehrsplanung genutzt werden kann. Vielleicht kann das Tool auf diesem Weg den Ausbau des ÖPNVs und der Radwege beschleunigen, sodass die Menschen aufgrund attraktiver Alternativen öfter aufs Auto verzichten.

Wie wünschen Sie sich die Mobilität in Zukunft?
Ich wünsche mir weniger Autoverkehr, und dass die Menschen sich mehr selbst aktiv bewegen, weil es gut tut und Spaß macht. Vor allem dann, wenn die Infrastruktur und die öffentlichen Räume dazu passen. Meine Stadt der Zukunft hat viel mehr Fläche zum Aufenthalt, zur Kommunikation, zum Spielen für Kinder, ist grüner und ein Ort zum Wohl- und Sicherfühlen. Das gleiche gilt auch für die Region und die Dörfer. Wenn Menschen sich draußen bewegen, gibt es eine höhere soziale Sicherheit. Raum- und Verkehrssysteme müssen stärker als bisher soziale Teilhabe für alle gewährleisten und dazu können der ÖPNV, Rad- und Fußverkehr einen wesentlich größeren Beitrag leisten als der private Pkw. Der ÖPNV, eigentlich aber der öffentliche Verkehr insgesamt, ist ein ganz entscheidender, wenn nicht sogar der entscheidende Baustein für die Lösung der verkehrsbedingten Klimaschutzprobleme.

Prof. Dr. Carsten Sommer, vielen Dank für das Gespräch!

 

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