Mobilnetzwerkmitglieder*innen sind in großer Anzahl vor Ort – beim diesjährigen Netzwerktreffen in Hannover. Mehr als 60 Akteur*innen aus Politik, Verwaltung, Verkehrsunternehmen, aus Initiativen rund um Mobilität und aus der Zivilgesellschaft gehen miteinander ins Gespräch über die Herausforderungen der Verkehrswende vor Ort. „Gut so“, freut sich Melanie Saraval, Koordinatorin des Mobilnetzwerkes. „Denn genau dieses Miteinander braucht es, wenn die Wende gelingen soll.“ Sich gegenseitig den Rücken zu stärken und Erfolge sichtbar zu machen, sei ein wichtiger Booster in dieser großen Transformation, ist Kollegin Melina Bruns überzeugt. Seit April an Bord, freut sie sich besonders über das persönliche Gespräch mit den Kommunen bei der diesjährigen Veranstaltung in Hannovers Nordstadt.
Transformation braucht Management
Dass Verkehrswende eine große Transformation in unserer Gesellschaft ist, bestätigt Dr. Sonja Rube, Transformationsexpertin der USP Projekte GmbH in München. Sie zeigt, worauf es bei Veränderungen im öffentlichen Raum ankommt, und macht insbesondere zwei Hebel deutlich. Zum einen braucht Veränderung eine Portion Mut, um Gewohnheiten und tradierte Denkmuster zu durchbrechen. Mit historischen Erfahrungen ließe sich bei der Entwicklung neuer Wege nichts erreichen. Zum anderen habe man es mit handfesten gruppendynamischen Prozessen zu tun. „Eine solche Veränderung betrifft direkt die Identität der Bürger*innen“, weiß Rube. „So verwundert es nicht, dass diese ein hohes Mitgestaltungsbedürfnis zeigen.“ Solche Prozesse müssten konsequent und mit hohem zeitlichen Invest gemanagt werden.
Eine neue Vision muss her
Die Münchener Expertin wirft ein Bild mit Hannovers Bürgermeister, Belit Onay, und Regionspräsidenten Stefan Krach an die Wand, auf dem beide den Verkehrsentwicklungsplan VEP 2035+ vorstellen. 70 Prozent weniger verkehrsbedingte Emissionen und doppelt so viel Radverkehr und ÖPNV. Ein starkes gemeinsames Zielbild, das den Rahmen für die Transformation in der Region absteckt – und die Basis für die individuellen Visionen in den einzelnen Kommunen der Region bildet. Genau diese Individualität sei entscheidend, damit die Vision vor Ort authentisch wahrgenommen und erlebt werde. Und man könne sie nicht verordnen. „Aus Interventionen werden nur Innovationen, wenn sie die Akzeptanz der Gesellschaft haben“, ist die Transformationsexpertin überzeugt. „Dazu braucht es eine ehrliche und offene Aushandlung.“ Information allein reiche nicht aus.
Transformation in den Kommunen
Moderiert durch Alexandra Vollmer von der Identitätsstiftung geht sie genau über diese Erfahrungen aus echter Partizipation in den Dialog. Im Podium mit Melina Bruns vom Mobilnetzwerk, mit dem Bürgermeister der Stadt Wunstorf, Carsten Piellusch, der Gemeinderätin aus Uetze, Ursula Tesch, und Dirk Perschel, dem Stadtbaurat der Stadt Seelze.
Die Stadt Wunstorf hat sich für einen großen Beteiligungsprozess zur Umgestaltung der südlichen Barnestraße entschieden. Im sogenannten „BarneLAB“ kamen Anwohner*innen zu Wort und hinterließen im Gespräch und auf 270 Post-its Ideen für eine bessere Nahmobilität sowie eine höhere Aufenthaltsqualität. Was noch fehlt, sind politische Entscheidungen, hierfür geht es im weiteren Prozess mit den Ergebnissen im Gepäck in den Dialog mit den Entscheider*innen, um die Weichen für die Umgestaltung der Barnestraße zu stellen.
Die Gemeinde Uetze hat das Format eines Verkehrsversuches ausprobiert. Über drei Monate wurden Maßnahmen der Verkehrsberuhigung für eine höhere Qualität des Hindenburgplatzes sowie zur Belebung der Ortsmitte getestet. Dieses Ausprobieren sorgte für ein hohes Commitment in der Bevölkerung für die anstehenden Veränderungen. Mit den Ergebnissen des Verkehrsversuches, die wissenschaftlich evaluiert wurden, kann jetzt erfolgreich weitergearbeitet und ins Gespräch mit dem Ortsrat gegangen werden.
Dass Dialog ein wichtiger Treiber für die Verkehrswende vor Ort ist, zeigt die Stadt Seelze. Netzwerkbotschafterin Katja Diehl war im Oktober dort zu Gast und sprach mit den Menschen vor Ort. Von Schüler*innen bis zum Seniorenbeirat, aus Politik und Verwaltung kamen zahlreiche Perspektiven zu Wort. „Der Dialog vor Ort hat gezeigt, dass die Menschen eine Vorstellung davon haben, was verändert werden soll, und das ist total wertvoll“, bilanziert Melina Bruns die Erfahrungen vor Ort. „Damit wollen und können wir die Projekte wirkungsvoll umsetzen.“
Themen und Angebote entwickeln sich weiter
In einem Projektrundgang blicken die Teilnehmenden konkret in die Praxis. An Projektstationen zum „Beteiligungsprozess in Wunstorf“, zum „Verkehrsversuch in Uetze“ und zum „Fußverkehrs-Check in Burgwedel“ berichten Expert*innen aus den Kommunen zu ihren ganz konkreten Projekterfahrungen und geben Raum für wertvollen Austausch.
Bei der Gestaltung der Projekte sind die Kommunen nicht allein – etwas, das auch das Netzwerktreffen erlebbar macht. „Mit dem Mobilnetzwerk der Region Hannover steht den Kommunen ein engagierter Partner zur Seite, der sie mit Know-how, Beratung vor Ort und konkreten Angeboten unterstützt“, beschreibt Melanie Saraval die Zusammenarbeit. Dass diese gut funktioniert, zeigt das Engagement und das große Interesse der Kommunen bei den sogenannten Fußverkehrs-Checks. „Elf von 20 Umlandkommunen waren bereits dabei “, freut sich Melanie Saraval. Die Maßnahmenumsetzung aus den Checks werde in 2025 weiter unterstützt. Dabei bleibt das Mobilnetzwerk nicht stehen, sondern entwickelt die Angebote für die Kommunen konsequent weiter. „Die Fußverkehrsförderung weiten wir aus und blicken ganzheitlich auf die Förderung der Nahmobilität.“ Nachdem in 2024 außerdem neun weitere Parklets in den Kommunen aufgestellt wurden, drei davon in der Landeshauptstadt, denkt das Mobilnetzwerk verstärkt in Richtung ganzheitlicher Quartiersentwicklung. Schließlich sollen laut Verkehrsentwicklungsplan in den Umlandkommunen unter anderem 50 sogenannte Quartiersblöcke umgesetzt werden.
Neue Leuchttürme entstehen
„Eines meiner Lieblingsprojekte gewinnt endlich an Fahrt“, freut sich Melanie Saraval. Denn der Modellversuch „Tempo 30 in Ortsdurchfahrten“ startet jetzt auf ausgewählten Pilotstrecken für ein Jahr. Mit der Gestaltung eines sicheren und attraktiven Schulumfeldes für die Brüder-Grimm-Schule kündigt Melina Bruns einen neuen Leuchtturm in der Region an: „In Seelze werden wir auf Grundlage eines Beteiligungsprozesses ein Verkehrskonzept erstellen.“ Außerdem sieht die Region Hannover in Kooperation mit dem Mobilnetzwerk den Start einer Fahrradoffensive als Konsequenz aus dem Projekt „Social2Mobility“ vor. Und weil die Organisation und Bewirtschaftung des Parkraums entscheidende Stellschrauben für die Verkehrswende sind, bietet das Mobilnetzwerk den Kommunen auch hier handfeste Unterstützung an. So startet in Seelze ein Pilotprojekt für die Entwicklung und den Einsatz eines Parkraummanagement-Tools.
Damit stehen wichtige Projekte für 2025 fest. Doch die Tür bleibt auf. So können Kommunen weiterhin konkrete Projektanfragen an das Mobilnetzwerk richten. „Wir wollen die Verkehrswende vor Ort unterstützen“, so Melina Bruns. „Damit wir das können, braucht es ein Miteinander mit den Akteur*innen in den Kommunen, konkrete Themen und darauf folgend bedürfnisorientierte Angebote, die wir in Zusammenarbeit gerne weiterentwickeln.“